
Fiskalisierung von Kassensystemen in Europa
Einige Länder in Europa schreiben für Kassensysteme eine Fiskalisierung vor. Diese hat das Ziel, die auf einem Kassensystem erzeugten Transaktionen lückenlos elektronisch zu archivieren und dieses Archiv vor Manipulationen zu schützen. Insbesondere soll gegen Schwarzgeld – unversteuerte Einnahmen – ein Riegel geschoben werden.
Die Fiskalisierung wird mit einem nichtflüchtigen Speicher realisiert, welche jeden Kassenbon speichert, so dass alle Transaktionen mit den entsprechenden Tools, die das Finanzamt besitzt, jederzeit ausgelesen werden können.
I. d. R. sind es die Finanzämter, welche die Fiskalisierung der Kassensysteme fordern, um Einsicht in den Geldfluss über das Kassensystem und damit über die Abrechnung der Umsatzsteuer zu erhalten und diese Daten vor Manipulationen sicher zu stellen.
Man schätzt, dass durch die Fiskalisierung in Europa jährlich zusätzlich aus ca. 2100 Mia € Umsatz Steuereinnahmen generiert werden können. Alleine in Deutschland beträgt der Anteil der Schattenwirtschaft 13% oder 351 Mia €
Erfolge in Deutschland nach Einführung der Fiskalisuerung
Nachdem Österreich 2016 die Fiskalisierung der Kassensysteme eingeführt hat, hat auch Deutschland mit dem „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ vom 22. Dezember 2016 der Schwarzgeldkasse den Kampf angesagt und mit einem halben Jahr Verspätung die Fiskalisierung der Kassensysteme zur Pflicht gemacht..
Dieses Gesetz ist eine Fortführung der allgemeinen Verordnungen GDPdU „Grundsätze zum Datenzugriff und
zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ aus dem Jahre 2001 und GoBD „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ aus dem Jahre 2014.
Für die Kassensysteme bedeutet diese neue Fiskalisierungs-Vorschrift, dass alle Kassenbelege lückenlos erfasst und dem Finanzamt gemeldet werden müssen und dass diese Vorgänge durch eine Zertifizierungsstelle in ihrer Vollständigkeit überprüft worden sein müssen.
Diese Anpassungen müssen für bestehende Kassensysteme bis zum Ende Jahr 2022 erledigt sein. Für neue Kassensysteme, welche ab 2020 angeschafft werden gelten die Regeln sofort:
In Artikel 2 Paragraph 30 Abschnitt 3 heisst es:
„Wurden Registrierkassen nach dem 25. November 2010 und vor dem 1. Januar 2020 angeschafft, die den Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26. November 2010 (BStBl. I S. 1342) entsprechen und die bauartbedingt nicht aufrüstbar sind, so dass sie die Anforderungen des § 146a der Abgabenordnung nicht erfüllen, dürfen diese Registrierkassen bis zum 31. Dezember 2022 abweichend von den § 146a und § 379Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 der Abgabenordnung weiter verwendet werden.“
Quelle: Bundesministerium der Finanzen der BRD, Gesetzestext im genauen Wortlaut
ADEGA bietet ab Juli 2019 ein neues Fiskalmodul an, welches alle Bedingungen für den Betrieb der Kassensysteme in Deutschland ab 1.1.2020 ermöglicht. Die technische Umsetzung ist unter dem Begriff „Sicherheitseinrichtung“ in folgenden Dokumenten beschrieben, und zwar in den drei Komponenten dieser Sicherheitseinrichtung: Sicherheitsmodul, Einheitliche Digitale Schnittstelle und Speichermedium.
Auf der Webseite Zertifizierung Kassensystem kann im Detail das Vorgehen nachvollzogen werden.
Methoden der Fiskalisierung
Die meist verbreitete Methode ist die Erweiterung des Bondrucker durch einen nichtflüchtigen Speicher. Alle Belege, welche mit der Kasse produziert und ausgedruckt werden, landen automatisch auf der Speicherkarte. Diese ist plombiert und kann von der Fiskalbehörde vor Ort ausgelesen werden. Länder wie Italien, Polen oder Slovakei benutzen diese jeweils proprietäre Lösung.
Eine andere Lösung nutzen Länder wie Schweden oder Belgien: eine Blackbox wird an den Kassenrechner bzw. zwischen Kassenrechner und Kassendrucker angeschlossen und registriert sämtliche Belege. Diese Daten können wiederum mittels Terminals ausgelesen und kontrolliert werden.
Kroatien, Serbien und Bosnien Herzogowina nutzen Online-Fiskallösungen. Kroatien hat als erstes Euopäisches Land eine Internet-basierte Lösung eingeführt. Jeder Kassenbeleg muss online vom staatlichen Server erfasst und mit einer eindeutigen Kenn-Nummer versehen ausgedruckt werden. Im Falle eines Internetausfalls dürfen maximal 2 Tage alte Belege nachfiskalisiert werden, ansonsten drohen schwere Bussen. Diese Regelung hat in Kroatien zu einigen Problemen in den ländlichen Gebieten geführt. Nichts desto trotz führt 2017 auch die Slovakei diese Verfahren ein und löst das 2011 eingeführte Fiskaldrucker-System ab.
Fiskalisierung bedeutet Zusatzkosten
Die Black-Box, welche den nichtflüchtigen Speicher samt Auslese-Einheit beinhaltet, kosten je nach Technik und Anfoderungen – hier hat jedes europäische Land seinen eigenen proprietären Lösungsanspruch – versursacht Zusatzkosten von 500 bis 2’000 € pro Kassensystem.
Betreiber von Kassensystemen haben gegen diese Einsichtnahme grundsätzlich nichts einzuwenden, da die Geldflüsse auch für das Unternehmen selbst jederzeit transparent und nachvollziehbar sein müssen.
Allerdings lässt sich diese Anforderung mit jedem professionellen Kassensystem auch ohne Fiskalisierung realisieren.
Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass der Aufwand für die Fiskalisierung vom Betreiber und nicht von den Ämtern getragen wird. Die Finanzämter unterstellen den Betreibern offenbar eine kriminelle Energie, weswegen sie der Auffassung sind, dass die “Schuldigen” auch die Zeche bezahlen müssen.
Welche Länder in Europa bereits Fiskalisierung haben
Zu den ersten Ländern mit Fiskalisierung gehören Italien und Polen. Mit der Wende 1989 sind in den neuen Oststaaten Fiskalgesetze eingeführt worden. Nach Beendigung des Balkankkrieges haben diese Länder entschieden, ebenfalls eine Fiskalisierung einzuführen. Schweden und Belgien sind die letzten Zugänge in Europa, wobei Belgien nur im Gastronomie- und Hotellerie-Sektor neue Fiskalgesetze eingeführt hat.
Fiskalisierung in der Türkei
Die Türkei ist ein Land mit einem alten Fiskalisierungssystem, das erste Fiskalgesetz wurde 1985 verabschiedet. Bis vor kurzem basierte das türkische Fiskalisierungssystem überwiegend auf Hardware, die Verwendung eines bestimmten Kassentyps ist obligatorisch, doch es gibt eine Verschiebung hin zu einer Software-Fiskalisierung. Das aktuelle Steuergesetz schreibt die Verwendung von Registrierkassen der neuen Generation vor, die über eine Internetverbindung mit der Steuerbehörde verbunden sind. Es können zwei Arten von Registrierkassen der neuen Generation verwendet werden:
-> EFT + Registrierkasse (All in one – EFT-POS Integrated) – wird von kleineren Steuerzahlern verwendet
-> Registrierkasse mit Fiskaldrucker (Computer NGCR verbunden mit EFT) – wird von größeren Steuerzahlern mit mehreren Verkaufsstellen in einem Geschäft verwendet
Obwohl die Registrierkassen der neuen Generation mit der Steuerbehörde verbunden sind, werden die Transaktionen nicht in Echtzeit gemeldet, sondern es müssen die Tagesendberichte (Z-Berichte) übermittelt werden, die täglich an die Steuerbehörde weitergeleitet werden müssen. Registrierkassen der neuen Generation können nur von autorisierten und von der Steuerbehörde zugelassenen Händlern erworben werden.
Alternativ können sich Steuerzahler für die Software-Option entscheiden, die darin besteht, ihr Kassensystem mit einer Plattform für die elektronische Rechnungsstellung zu integrieren. In diesem Fall haben sie die Möglichkeit, eine spezielle Art von elektronischer B2C-Rechnung auszustellen, die in der Türkei e-Archiv genannt wird. Es gibt spezielle Integrationsplattformen, die von staatlich zugelassenen Unternehmen betrieben werden, die B2C-e-Rechnungen verarbeiten und an die Steuerbehörde melden können. Die Integrationsplattform verarbeitet die elektronischen B2C-Rechnungen, archiviert sie und erstellt Berichte für die Steuerbehörde.
Fazit: big brother oder Steuergerechtigkeit
Jedes Retail-Unternehmen sollte heutzutage mit Bestandesführung arbeiten, um effizient und professionell arbeiten zu können, was sowohl die Geld- als auch die Warenflüsse anbelangt. Deshalb sind zuverlässige Transaktionsdaten auch für das eigene Unternehmen unabdingbar. Diese Daten liegen bereits auf dem Server im Transaktionspool, archiviert nach den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben. An dieser Stelle sei auch auf die 10 jährige allgemeine Aufbewahrungspflicht für Rechnungs- und Zahlungsbelege erinnert.
Deshalb ist der zusätzliche Aufwand durch die Ämter selbst zu tragen, so dass diese sich auch Gedanken machen, welchen Datenhunger sie denn letztendlich stillen möchten und zu welchem Preis. Diese Haltung vertreten die Einzelhändler und wollen nicht länger die Kosten selber tragen.
Die Finanzbehörden wissen, dass ohne Fiskalisierung ca. 1/4 der Steuereinnahmen verloren gehen. Diese 25% sind eine grosse Summe, Milliardenbeträge, die nicht in die Kassen der öffentlichen Hand fliessen, dort fehlen und so zu höheren Steuersätzen führen können. Die Steuergerechtigkeit kann hier ansetzen, indem dank der höheren Steuereinnahmen die Steuersätze selbst vermindert werden können. Es profitieren dann auch die “Guten”, welche auch ohne Fiskalisierung auskommen würden.
Teufen, AK
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